Die Geschichte von Reimersbude ist nur lückenhaft dargestellt, wir versuchen einen allgemein fundierten Hintergrund darzustellen und vervollständigen nach Recherchen und Dokumenten nach und nach die Geschichte von Reimersbude.

 

Der Ortsteil Reimersbude hat seit langem in der Geschichte Witzworts eine besondere Bedeutung gehabt. Hier war zur Eider hin ein Hafen ausgebaut, in dem kleine Schiffe und Schuten anlegen konnten. Sie konnten Erzeugnisse der Landschaft aufnehmen und weiter befördern. In der Nähe von Reimersbude lagen vier Ziegeleien, die gebrannte Steine auf dem Wasserweg fortschaffen konnten. Für den Bau der Haubarge mußten große Holzmengen herbeigeschafft werden, die wohl gleichfalls per Schiff angelandet wurden. Sicher mußten die um 1600 benutzten großen Decksteine für die Gräber ihren Weg über Reimersbude nehmen.

Außerdem war hier ein lebhafter Fährbetrieb. Menschen und Vieh aller Art mußtem vom Fährmann über die Eider gesetzt werden.

 

(aus Hans Knutz, Gemeinde Witzwort, Chronik von Witzwort)



Die Hand-Ziegeleien in Witzwort


























Beiderseits der Bundesstraße 5 – zwischen dem ehemaligen Kringelkrug und der Abzweigung nach Friedrichstadt – existierten im 19. Jahrhundert vier Ziegeleien, weil die dortigen Fennen reich an Ton, plattdeutsch „Stört“, waren. Bernhard Grage berichtet im heimatkundlichen Jahrbuch „Zwischen Eider und Wiedau“ (1961) über die Ziegelei, die um 1900 von seinem Onkel Boy Lorenzen in Reimersbude betrieben wurde:

„Sie bestand aus mehreren Gebäuden, einem Wohnhaus für die Ziegeleiarbeiter, plattdeutsch „Tegler“ genannt, einem Brennofen, einer runden Scheune mit einem kreisrunden „Pottloch“, dessen Durchmesser etwa 8 m und deren Tiefe etwa 80 cm betrug, und 4 bis 5 niedrigen mit Reet gedeckten Trockenscheunen, mit offenen nur 1 m hohen Seiten, die bei eintretenden Nachtfrösten mit Holzluken abgedeckt werden konnten. Die „Tegler“ kamen Ende März, Anfang April aus Lippe-Detmold nach Eiderstedt. Die Arbeitergruppe bestand aus einem Brennmeister, der dem Besitzer für die Güte der herzustellenden Steine verantwortlich war, 4 bis 6 Arbeitern, sowie einem konfirmierten Jungen, der das Einholen und Essenkochen besorgte.

Die Produktion begann nun damit, dass in der Nähe der Ziegelei der „Stört“ gegraben und mit Kipploren zum „Pottloch“ transportiert wurde. Der Stört wurde hier nun „zugemacht“ d. h. so aufbereitet, dass daraus Ziegel „gestrichen“ werden konnten. Dies geschah mit Hilfe einer göpelähnlichen Maschine, die durch Pferdekraft angetrieben wurde. In der Mitte des Pottloches war ein starker Baum senkrecht montiert. Daran war ein Querbaum drehbar befestigt, dessen Ende über das Loch hinausragte und einen Zughaken für die Pferdeanspannung trug. Oben auf diesem Querbaum saß eine mit Löchern versehene Eisenschiene. Ein schweres Eisenrad war mit einem Splint daran angebracht. Durch die Drehung des Rades wurde der Stört tüchtig durchgeknetet. Man begann in der Mitte des Pottloches, und dann wurde das Eisenrad von Loch zu Loch in der Schiene weiter nach außen geschoben, bis der Inhalt genügend durchgearbeitet war. (…)
Wenn der Stört durch das Kneten unter Zusatz von Wasser gut aufbereitet war, begann das Streichen. Mit einem Holzspaten wurde er in den aus dünnen Brettern angefertigten Streichrahmen gefüllt. Der Rahmen fasste jeweils 3 Steine. Die nassen Lehmziegel wurden dann auf den Boden der Trockenscheune gekippt. Wenn die Bodenflächen der Scheunen mit einer Schicht belegt waren, konnten die ersten Steine auf Haufen geschichtet werden, um wieder Platz zu schaffen für nasse Ziegel. Der Trockenprozess war natürlich stark von der Witterung abhängig und dauerte deshalb verschieden lange. Es musste so viel Wasser verdunstet sein, dass die Ziegel genügend Festigkeit hatten, um mit der Schiebkarre zum Brennofen transportiert werden zu können. Hier wurden sie kunstgerecht aufgeschichtet, und die Ofentür wurde dann mit Lehm zugeschmiert.

Nun begann das eigentliche Brennen. (…) Zwei Pottlöcher „Stört“ waren für eine Ofenfüllung erforderlich, das waren etwa 80 000 Steine. Im Laufe des Sommers wurde 10 bis 12 Mal gebrannt, die Jahresproduktion einer solchen Ziegelei betrug also rund 1 Million Steine. Davon waren ein Teil hartgebrannte Steine, sogenannte Klinker. Das waren die, welche in der Nähe der Feuerstellen aufgeschichtet gewesen waren. (…)Die „Tegler“ standen in Akkordlohn und verdienten sehr gut. Ihre Arbeit war aber auch schwer und dauerte in der Regel von morgens 5 bis abends 8 Uhr mit einer längeren Mittagspause. Sie waren achtbare Leute, denen es darauf ankam, ein gutes Stück Geld mit in ihre Heimat zu nehmen. Natürlich hatten Kaufleute, Bäcker und auch die Gastwirte durch sie einen guten Verdienst. (…)

Anfang dieses Jahrhunderts konnten die kleinen Handziegeleien mit den aufkommenden Dampfziegeleien nicht mehr konkurrieren. Die „Maschinensteine“ wurden ebenmäßiger hergestellt und waren leichter zu verarbeiten. So wurde in den Witzworter Ziegeleien die Produktion nach und nach eingestellt, die Gebäude wurden abgebrochen. (…)

Das Foto zeigt das Wohnhaus (Reimersbude 14) und die Ziegelei, die heute nicht mehr steht. In der Karte von 1880 ist der Standort rot und die anderen 3 Ziegeleien sind orange umrandet.


Quelle Archivgruppe Witzwort

 

 

Die Seeräuberburg in Reimersbude

 

Der zweitälteste Hof Witzworts mit der Hausnummer 2 war der Johnsen-Hof. Er lag in Reimersbude im Drandersumkoog an der Grenze nach Koldenbüttel. Dorfchronist Oesau beschrieb die Lebenssituation der Bewohner so: „Das Schlafzimmer war auf Koldenbüttler Gebiet. In Witzwort eten wir, und in Koldenbüttel schlepen wir.“

Diese Seeräuberburg war außergewöhnlich gut angelegt. Nach Norden, Osten und Westen hat man von der Warft aus einen weiten, wunderbar schönen Überblick über das Gelände, so dass man herannahende Feinde aus weiter Ferne erkennen konnte, nach Süden und Südwesten aber konnte man den Eiderstrom bis zu dem Harbleker Koog übersehen und herannahende feindliche Schiffe aus der Ferne ausmachen und bevor sie herankamen, nach Osten hin die Treene und die Nordereider erreichen.

Die Zeit wird etwa die selbe sein als Störtebecker und Godeke Michael, die Vitalienbrüder und Likedeeler, auf der See und über Land ihre Räubereien vollzogen, also etwa um 1390, als die Herzöge von Mecklenburg Freibeuter gegen die Königin Margarete ausrüsteten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass einer von ihnen (Störtebeker oder Godeke Michael) dort auf Drandersum seine Raubritterburg hatte. Man konnte soweit die Eider entlang sehen, weil der jetzige hohe Eiderdeich, der den Johann-Adolfs-Koog vor Überschwemmung durch die Eider schützt, noch nicht vorhanden war, sondern ein weites Vorland vor dem Norderdeich lag, und die Sicht nach der Eider frei war.

Der Hof brannte am 24. Juli 1914 ab.

 

Im Hintergrund die alte Warft
Im Hintergrund die alte Warft

 

Die Warft ist heute mit Bäumen bewachsen und bildet einen reizvollen Blickfang.

 

(aus Veröffentlichung Achivgruppe Witzwort, Witzwort vertellt 10)





Die letzten Witzworter Störfischer



Hans Knutz schreibt in der Chronik von Witzwort: „Die beiden letzten Witzworter Störfischer waren Johannes Franzen und Otto Jebe. Sie haben (…) nach dem 2. Weltkrieg in der Eider 185 Störe gefangen, den größten davon mit einem Gewicht von 320 Pfund. (…) Die Störe wurden auf dem Weg zu ihren Laichplätzen, die weit stromaufwärts lagen, gefangen, wenn sie sich in dem Netz verfingen. Dann wurden sie längsseits des Bootes vertäut und an Land gebracht. Mit einem Wagen wurden sie dann nach Haus befördert und dort geschlachtet. Wertvoll war besonders der teure Kaviar. Aber auch die Fleischmasse brachte einen guten Ertrag ein. Abnehmer war eine Hamburger Firma.“

Heinrich Alberts hat als Kind die Störfischer selbst erlebt und erinnert sich: „As lüttje Jung weer ik mit mien dree groote Schwestern na Reimersbood loopen to baaden. Ik weer noch to lütt un duss nicht to Water. Seet an de Kant un keek to. Do keemen de Fischers Schnieder (Johannes) Franzen un Otto Jebe in erm groote teerte holten Ruderboot inne Haben rin. An de Siet wer een riesige Fisch anbunnen. De wur mit Minschenkraft nich ut Water to kriegen.

Denn keem de Buer St. Johannis mit Peer un Waag. He halte de Stoer ut Water un truck em mit de Peer op dat Fohrwark un broch em hen na Schnieder Franzen. De Steert vun de Fisch hung achter ut de Waag un schleepte lang de Grandchaussee un weer full von Stehn un Sand de an de Schliem kleben deen.

De Lüüd vertellten dat de dore eene Fisch soveel Kaviar har, dat de Fischers sich dorvon een Motor to dat Boot koopen kunnen.“  

Durch den Schleusenbau in Nordfeld, die Abtrennung der Eider von ihrer Quelle und die Eiderabdämmung wurde es für die Störe unmöglich, ihre Laichgebiete im Oberlauf zu erreichen. Damit war es vorbei mit dem Fang dieses Edelfisches in der Eider. Auf dem Foto sind links Otto Jebe und rechts Johannes Franzen zu sehen.


Quelle Archivgruppe Witzwort


Die Bedeutung der Schifffahrt in früheren Zeiten



Dorfchronist Ludwig Oesau notiert in den 1950er Jahren: „Die Schifffahrt hatte vor der Erbauung der festen Landstraßen eine viel größere Bedeutung als heute. Die nichtbefestigten Wege sind auch heute noch im Herbst, wenn sie vom Regen aufgeweicht sind und die schweren Wagen mit Rüben, Kohl und Kartoffeln sie zerfahren haben und das Vieh sie durchgetreten hat, für Fußgänger, Radfahrer und Auto unpassierbar, und erst recht, wenn im Frühling die bis dahin gefrorenen Wege auftauen. In solchen Zeiten war ein Verkehr auf dem Lande so gut wie ausgeschlossen und war fast ausschließlich mit Schiffen möglich. Wenn man einmal in einem der stolzen Bauernhäuer, der Haubarge, weilt, so sieht man mit Erstaunen die gewaltigen Balken, die das Dach tragen. Diese Balken stammen nicht aus der Marsch, nicht aus Eiderstedt. Nur an der Ostküste unseres Landes (Schleswig-Holstein, aj) wachsen Bäume, aus denen solche Balken geschnitten werden können. Wenn einmal der Grund untersucht wird, worauf die mächtigen Ständer stehen, so findet man Steine von größtem Ausmaß. Auch sie findet man in den Moränenschichten des Ostens und die Wasser der Ostsee spülen sie frei und man findet sie am Strand und im Wasser der Küste. Bäume oder Balken sowohl wie Steine von diesem Ausmaß können nach meiner Meinung nicht anders als mit Schiffen hierher befördert worden sein. Wenn man die Bücher der Kaufleute durch sieht, wie z.B. hier in Witzwort des Kaufmanns Jan Maßen Dircks (in diesem Haus ist heute der Markttreff, das Foto zeigt den Laden ca. in den 1950er Jahren, aj), so erstaunt man über die weltweiten Beziehungen dieser einfachen Dorfkaufleute. Während sie heute zumeist nur von Großkaufleuten in Husum, Heide oder vielleicht Flensburg beliefert werden, bezogen sie damals aus Rotterdam, Kopenhagen und anderen Städten Tabak, Rosinen, Wein und andere Waren. Auch diese Waren wurden mit den Schiffen gebracht und wohl auch hier in Reimersbude ausgeladen.


Quelle Archivgruppe Witzwort